Für die IBW 2013 (International Babywearing Week) haben wir eine siebenteilige Serie zusammengestellt, die mit Bildern und wissenschaftlichen Aussagen die wichtigen Aspekte des Tragens für Eltern und Kind illustrieren. Die Beiträge erschienen zwischen dem 7. und dem 13. Oktober 2013 auf unserer Facebookseite. Hier haben wir sie zum Nachlesen und Weiterverlinken noch einmal zusammengestellt.
Texte: Anne Proetzsch
Tragen ist Liebe mit Zukunft!*
Wenn Eltern und Kind Hautkontakt haben, kommt es bei sowohl bei Mutter bzw. Vater als auch Kind zur Ausschüttung von Oxytocin (dem Liebeshormon), welches beruhigend und stressmindernd wirkt. Zudem wirkt es stabilisierend auf die Bindung zwischen Eltern und Kind, erleichtert das Stillen und wirkt vorbeugend gegen eine postpartale Depression. 2008 maßen Forscher der Bar-Ilan-University in Israel die Konzentration des Hormons bei Frauen in der Schwangerschaft und nach der Geburt [1]. Sie zeigten, dass Frauen mit höherem Oxytocinspiegel eine bessere Bindung mit ihrem Baby eingingen, beispielsweise indem sie spezielle Lieder sangen oder ihre Kinder auf eine bestimmte Art umsorgten. Von einer umsorgenden und liebevollen Behandlung und einem damit verbundenen Anstieg des Oxytocinspiegels als Baby zehrt ein Mensch wahrscheinlich das ganze Leben. So konnten Forscher 2005 feststellen, dass bei adoptierten Kindern aus Waisenhäusern der Spiegel nicht anstieg, obwohl sie in liebevoller Umgebung aufwuchsen [2]. Diese Beobachtung kann in Zusammenhang gebracht werden mit beobachteten Schwierigkeiten als Erwachsene, sichere soziale Bindungen einzugehen.
"Es gibt zwei Gründe, warum Babys weinen. Ein Grund ist, ein Bedürfnis oder Unbehagen mitzuteilen. Vielleicht sind sie hungrig, gelangweilt, ihnen ist kalt, oder sie wollen einfach nur gehalten werden. Manchmal ist es schwer herauszufinden, was sie brauchen. Die Aufgabe der Eltern und Betreuer ist es zu versuchen, die Bedürfnisse des Babys so schnell und sorgfältig wie möglich zu erfüllen. Babys können nicht "verwöhnt" werden. Es ist unmöglich, ihnen zu viel Liebe, Aufmerksamkeit und körperlichen Kontakt zu geben." (Aletha Solter, Ph.D., http://www.awareparenting.com/wastun.htm)
Wir wünschen Euch einen liebevollen Sonntag und hoffen, unsere Serie hat Euch gefallen!
Euer Team des Tragenetzwerk e.V.
*mit freundlicher Genehmigung von Christine Huber, danke!
[1] http://pss.sagepub.com/content/18/11/965
[2] http://www.pnas.org/content/102/51/18247.full
Mittendrin statt nur dabei - das sind getragene Kinder. Auf Augenhöhe mit Mama oder Papa erleben sie ihre Umwelt und die Interaktion der Eltern mit anderen Menschen, können durch Laute und Mimik auf sich aufmerksam machen, aber auch den Kontakt abbrechen und sich an den Körper der Bezugsperson kuscheln, wenn sie sich zurückziehen wollen.
"Zwischen den Kind und dem Träger findet auch ein non-verbaler Dialog statt. Das Kind spürt die Emotionen und Stimmungen der Mutter. Es verleiht ihnen sogar durch Bewegung Ausdruck. ... Durch die Nähe zum Tragenden entwickelt sich eine Kommunikationsform, die zum Großteil über die Sinneswahrnehmung stattfindet. Bereits sehr junge Säuglinge können auf diese Weise Kontakte zu Personen aufnehmen und diese kennenlernen." (aus Manns/Schrader: "Ins Leben tragen" http://www.amazon.de/Ins-Leben-tragen-Anja-Manns/dp/3861355701)
2008 untersuchten Forscher, wie das Gehirn einer Mutter auf verschiedene Gesichtsausdrücke ihres Babys reagiert. In Hirnscans zeigten sie, dass das Lächeln ihres Babys das Belohnungszentrum im Gehirn der Mutter aktiviert und starke Glücksgefühle auslöst. http://pediatrics.aappublications.org/content/122/1/40.full.pdf+html?sid=f35f063e-6caf-4bbc-834e-1007b89f416a
Wir wünschen Euch heute also einen kontaktfreudigen Tag voller Lächeln, genießt das Wochenende! Morgen melden wir uns dann mit dem letzten Posting unserer Reihe zur International Babywearing Week 2013.
Kleine Forscher am Körper - heute geht es um die "Neugier".
Schon ganz kleine Babys schauen neugierig aus dem Tragetuch und erkunden ihre Eltern und ihre Umgebung. Das Tragen ermöglicht es ihnen, Erfahrungen zu sammeln, die ihnen aus eigener Kraft gar nicht möglich wären.
Bereits 1975 zeigten Forscher der Georgia State University, dass die aufgerichtete und gut gestützte Haltung von Säuglingen zu erhöhtem Interesse und gesteigerter Aufmerksamkeit führte. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1183277
Dr. Kirkilionis schreibt in ihrem Buch "Ein Baby will getragen sein" dazu: "Angeregt, wahrscheinlich durch die Stimulierung des Gleichgewichtssinns, folgen wenige Tage alte Babys dann auch bereitwillig visuellen Angeboten und verarbeiten sie zudem besser, als es für dieses Alter zu erwarten wäre."
Nicht nur der Aktionsradius erweitert sich, auch das soziale Lernen wird durch das Tragen, die dadurch entstehende größere Nähe und den direkten Sichtkontakt zum Elternteil gefördert:
"Jedes Kind nimmt seine Umgebung in den ersten Wochen und Monaten vor allem vermittelt durch Familienmitglieder wahr. Sie gleichen seine anfängliche Unbeweglichkeit und seine noch eingeschränkte Wahrnehmungsfähigkeit aus. Es sind häufig die Eltern, die es auf visuelle und akustische Reize aufmerksam machen, Gesehenes und Gehörtes benennen und zum Berühren anbieten. Auf dem Arm einer Bezugsperson werden die kindliche Beweglichkeit und die Reichweite seiner Ärmchen vergrößert; sie lockt seine Aufmerksamkeit auf bestimmte Punkte und beginnt so, seine Umgebung vorzustrukturieren." Gabriele Haug-Schnabel und Joachim Bensel "Ein Forscher steckt in jedem Kind" https://www.familienhandbuch.de/kindliche-entwicklung/entwicklung-einzelner-fahigkeiten/ein-forscher-steckt-in-jedem-kind
Wir wünschen Euch einen neugierigen Tag voller Entdeckungen - und ein wenig Sonne!
Heute wird's sportlich, wir stellen die "Bewegung" vor!
Tragen gibt dem Baby eine Vielzahl verschiedener Bewegungsanreize wie Wippen, Drehen und Kippen und wirkt dadurch als vielfältige Stimulation des vestibulären Sytems. Bereits 1977 wiesen Forscher in einer Studie nach, dass die Stimulation dieses Gleichgewichtssystems von Babys direkt mit einer besseren Entwicklung von Reflexen und motorischen Fähigkeiten zusammenhängt. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/300899
"Auch Frühgeborene gedeihen sehr viel besser, wenn sie täglich eine zusätzliche vestibuläre Stimulation erhalten ... sie nehmen erwiesenermaßen rascher zu, sind weniger reizbar, atmen regelmäßiger, bewegen sich weniger ruckartig, schlafen mehr und verbringen mehr Zeit in einem ruhigen, wachen Zustand als Frühgeborene, die keine zusätzliche vestibuläre Stimulation erhalten." Sinngemäß zitiert aus: Lise Eliot "Was geht da drinnen vor?")
Unser Stichwort heute: "Nähe".
Dazu schreibt James Halliday in "Psychosocial Medicine":
"Die ersten Monate nach der Geburt können als direkte Fortsetzung der intrauterinen Phase betrachtet werden. Zur Förderung der kinästhetischen und muskulären Entwicklung ist die Nähe der Mutter notwendig. Das Kind muss fest in den Armen gehalten, in bestimmten Abständen genährt, gewiegt, gestreichelt, liebevoll angeredet und beruhigt werden. Nachdem die "Kinderfrau" nicht mehr existiert und der Kinderwagen an ihre Stelle tritt, vergisst man meist, wie notwendig der physische Kontakt für das Kind ist. Wie unmittelbar es auf einen Mangel an Nähe und Wärme reagiert, sieht man, wenn das Kind ohne Stütze auf eine ebene Fläche gelegt wird. Es schreckt sofort auf und schreit. ..." (zitiert aus: Montagu "Körperkontakt"http://www.klett-cotta.de/buch/Koerperorientierte_Verfahren/Koerperkontakt/4270
Oder Kurzfassung: Kuscheln dringend erwünscht! Wir wünschen Euch einen kuscheligen Tag, und dass Ihr die Nähe zu Euren Kindern heute besonders genießen könnt!
2013 wiesen Forscher die beruhigende Wirkung des Tragens auf Säuglinge nach: in Versuchen sank die Herzschlagrate der Kinder und sie entspannten sich zusehends je schneller die tragende Person sich mit dem Kind bewegte. http://www.cell.com/current-biology/retrieve/pii/S0960982213003436
1990 zeigten Forscher der Columbia University, dass getragene Kinder mit signifikant höherer Wahrscheinlichkeit eine sichere Bindung - die Basis für ein gesundes Selbstbewusstsein - an ihre Mütter zeigten als nicht getragene Kinder. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2245751